Kritisches Denken als Bildungsaufgabe

Kritisches Denken als Bildungsaufgabe. Ein Begriff – zwei pädagogische Kulturen

In USA das Thema für das 21. Jahrhundert  –  in der deutschen Schulpädagogik ein Feindbild

Bernhard Kraak

Den Begriff des „Kritischen Denkens“  –  im folgendenText abgekürzt zu KD  –  definiert man im deutschsprachigen Europa genauso wie in den USA, aber die Einstellungen dazu unterscheiden sich erheblich. In der amerikanischen Pädagogik und Psychologie ist er seit  Jahrzehnten mit präzisem Inhalt vertraut, und er wird wichtig genommen. Bedenken sind mir nicht bekannt, wohl aber Widerstände gegen eine praktische Umsetzung. In deutscher Sprache wurde wenig darüber geschrieben, und die Diskussion verlief am Rande und meist abwehrend. KD ist kein Thema, das viele bewegt.

Critical Thinking in USA

Vor fast 60 Jahren (1942) bezeichnete ein amerikanischer Erziehungswissenschaftler in der Einleitung zu einem Jahrbuch über KD dieses als ein „allgemein akzeptiertes, allgemein vernachlässigtes und nur unzureichend verstandenes Haupt-Unterrichtsziel“.

In den 80er Jahren fordern drei prominente Berichte über das amerikanische Erziehungswesen  –  „A Nation at Risk“ (National Commission on Excellence in Education, 1983), „Involvement in Learning“ (National Institute of Education, 1984) und „Higher Education and the American Resurgence“ (Newman, 1985)  –  die Entwicklung Kritischer Denker als nationale Priorität.

1992 wird ein Buch veröffentlicht  (Collins & Mangieri, Eds.) mit dem Titel „Teaching thinking: An agenda for the twenty-first century“. Der Titel unterstreicht noch einmal die Bedeutung, die amerikanische Wissenschaftler dem Ziel der Erziehung zum KD geben. In diesem Buch steht aber auch ein Beitrag von McGrane & Sternberg, in dem sie ausführen (S. 333), daß in den letzten 100 Jahren wenig geschehen sei, um dieses Ziel zu erreichen. Hunderte Berichte von zahlreichen Ausschüssen und Forschern weisen darauf hin, daß die Kinder unserer Nation immer noch nicht gut denken können und daß unsere Schulen ihre Schüler noch nicht so unterrichten, daß sie zu denken lernen.  –  Die Autoren erklären das damit, daß die meisten Amerikaner von Schulen etwas anderes als KD erwarten. Das würde deutlich, wenn man mit Eltern, Schülern und Lehrern spräche. Sie erwarten, daß die Schüler alle die Tatsachen kennenlernen sollten und die Basis-Fähigkeiten, Lesen, Schreiben und Rechnen, die sie ihr ganzes Leben lang brauchen würden. Außerdem seien viele Lehrer nicht in der Lage, ein Programm zur Entwicklung des KD zu implementieren.

Widerstände und Ansätze im deutschsprachigen Raum

 Eine Form des Widerstands ist ideologischer Art. Er wird deutlich in Äußerungen von zwei Erziehungswissenschaftlern, Rumpf (1962) und Schmidtchen (1988) (berichtet von Eckerle & Kraak  1995, S. 651f). Diese Aussagen stehen ie in einer noch immer lebendigen Tradition pädagogischen Denkens. Danach sind Verstand und Rationalität Gegensätze zur Vernunft und zu den Kräften des Gemüts und des Gefühls. Rumpf sieht in der „Entfesselung des Verstandes auf Kosten der Vernunft den Grund des Unheils“, das durch die moderne Wissenschaft über die Welt und den Menschen gekommen ist. Er meint auch, daß in unseren Schulen nur die Kräfte des Verstandes geschult würden. Dasselbe glaubt Schmidtchen: „Unsere Schulen und Universitäten sind Exerzitienhäuser der Rationalität … viele von uns werden als Hilfsschüler der Emotionalität aus den Bildungsanstalten entlassen.“

An diesen Äußerungen stimmt nicht, daß Verstand und Gemüt entgegengesetzte menschliche Kräfte wären. Psychologische Befunde bestätigen das nicht. Es trifft erst recht nicht zu, daß in unseren Schulen einseitig  Verstandeskräfte geschult  würden. In dieser Hinsicht sind unsere Schulen ebenso defizitär, wie es McGrane & Sternberg (1992, S. 333) von amerikanischen Schulen behauptet haben.  –  Quasi-ideologisch sind auch Widerstände gegen analytisches Denken, das zum KD gehört, das gegen gegen Totalitäts- und Ganzheits-Theorien, wie sie die Kritische Theorie impliziert (Eckerle, 1999), verstößt.

Ein anderer Widerstand wird von Wissenschaftlern vorgetragen. Dabei geht es um die Möglichkeit, sehr allgemeine Denkstrategien in unterschiedlichen Zusammenhängen anzuwenden. Eine Hypothese von Weinert (1999) besagt:  Je allgemeiner eine Strategie sei, desto geringer wäre ihr Beitrag zur Lösung spezifischer Probleme. Eckerle (1999) kann zeigen, daß die angebliche empirische Bewährung dieser Hypothese auf Voraussetzungen  –  Vergleiche von Novicen und Experten, z. B. in Latein  –  beruht, die für die Anwendungen KD nicht zutreffen.  –  Es gibt  systematisch ausgewertete Unterrichtserfahrungen, z.B. von Masui & De Corte (1999), die die Übertragbarkeit von Denkstrategien in verschiedene Kontexte zeigen.  –   Mir erscheint es auch schwer vorstellbar, daß die Anforderungen an KD, die ich im weiteren Text darstellen werde, Schwierigkeiten bei der Anwendung in unterschiedlichen thematischen Zusammenhängen machen könnten.

Schließlich gibt es Gründe, Astleitner (2000, S.  ) nennt einige, die Lehrer daran hindern, KD im Unterricht zu realisieren:

  • KD wird in den Präambeln von Lehrplänen genannt, Konkretisierungen fehlen aber meistens.
  • Lehrer haben in ihrer eigenen Einschätzung genügend zu tun, Grundkenntnisse zu vermitteln. Die Vermittlung von KD würde den Stoff-Zeit-Druck noch erhöhen.
  • Von KD wird eine Politisierung des Unterrichts erwartet.
  • KD ist in der Regel kein Bestandteil der Ausbildung von Lehrern und Ausbildern.
  • Der Unterricht orientiert sich vielfach stark an Schulbüchern, in denen KD nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Eckerle (1999) erwähnt einen weiteren. Die Professionalität der Lehrer beruht auf ihrer inhaltlichen Kompetenz und der Vielfalt und Breite des (traditionellen) schulfachlichen Wissens. Inhalte in Frage zu stellen, sie in exemplarischen Themen zu verdichten, ihre gesellschaftliche Bedeutung zu diskutieren steht für Viele in Spannung zu dem „Druck der Lehrpläne“. Diese unterrichtliche Zurückhaltung spiegelt sich wider und der didaktischen Literatur; immerhin gibt es auch deutschsprachige Texte, die über zustimmende Auseinandersetzungen mit der Konzeption KD berichten, z.B. Astleitner (2000), Eckerle (1983 und 1987), Eckerle & Kraak (1980), Kluwe (1979), Petri (1998).

Mir sind auch Berichte über Unterrichtserfahrungen mit KD bekannt geworden: Astleitner (2000) stellt ausführlich Geschichtsunterricht dar, in dem KD, offensichtlich erfolgreich, geübt  wurde.  –  Fürstenau (1997) berichtet über Erfahrungen mit dem Computer-Planspiel „Jeansfabrik“, das Aufgaben realitätsnahen Problemlösens (in der Tradition von D. Dörner)  bei Berufsfachschülern stellt. 

Warum Kritisches Denken so wichtig ist

Was wir denken, über uns selbst, über andere Menschen, über Institutionen, über Recht und Unrecht, über Handlungen und ihre Konsequenzen, wirkt sich auf das aus, was wir tun. Unkritisches Denken hat Fehler in der Lebensplanung zur Folge. Es kann zu Unrecht im Umgang mit anderen führen, weil es verhindert, erste Eindrücke zu relativieren, Vorurteile, Rassismus und Sexismus als solche zu durchschauen, Gerüchte und üble Nachrede auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen, weil es erschwert, komplexe Zusammenhänge zu durchschauen.  –  Unkritisches Denken ist eine Hauptursache dafür, daß Viele auf Propaganda hereinfallen, sich manipulieren und für dubiose Zwecke einspannen lassen, den Mißbrauch von Macht nicht erkennen. Zu den gesellschaftlichen Katastrophen des Jahrhunderts hat unkritisches Denken erheblich beigetragen.

Kritisches Denken ist besonders wichtig, wenn unser Handeln weitreichende Konsequenzen für das eigene Leben haben kann. Naheliegende Beispiele sind die Berufswahl, die Entscheidungen für Arbeitsplätze und nicht zuletzt die Partnerwahl.  –  Kritisches Denken ist noch wichtiger, wenn unsere Überlegungen zu Handlungen führen, die in das Leben anderer eingreifen und es verändern können, nicht nur zum Besseren, sondern auch zum Schlechteren.  –  Diese Behauptungen werde ich im Kapitel über die Wirkungen, die von Kritischem Denken  erwartet werden, begründen.

„Kritisches Denken“  –  was darunter verstanden wird

Zunächst: was Kritisches Denken nicht ist

KD ist nicht „kritisch“ in dem Sinn, daß es nur nach Fehlern sucht, nach „Kritisierbarem“. KD fehlt dieser Hang zum Negativen, den „Kritik“ im landläufigen Verständnis hat. Zwar ist KD wesentlich prüfendes Denken, aber es sucht nicht nur nach Irrtümern, Täuschungen und Fehlern, es sucht ebenso eifrig das, was gut durchdacht, durch Erfahrungen bestätigt, was vertrauenswürdig und brauchbar ist.

Was Kritisches Denken tatsächlich ist

Zahlreiche amerikanische Autoren (z.B. Anderson, 1942; Baron, 1993; Bensley & Haynes, 1995; Brookfield, 1987; Carlson, 1995; Ennis, 1987; Halonen, 1995; Halpern, 1995 und 1998; King, 1995; Murray, 1995 und 1997; O’Donnell, 1992; Paul, 1990; Sears & Parsons, 1991; Woditsch & Schmittroth, 1991) und einige deutschsprachige (Astleitner, 1999; Eckerle, 1983; Eckerle & Kraak, 1980; Kraak, 19..; Kluwe, 1979; Petri, 1998) haben sich dazu geäußert und stimmen in erstaunlichem Maße überein.

Kritisches Denken ist, zunächst sehr allgemein gefaßt, sorgfältiges Denken. Die Sorgfalt des Denkens zeigt sich vor allem im Umgang mit Annahmen und Bewertungen. Annahmen sind unsere Auffassungen und Überzeugungen von dem, was ist, also unser Sachwissen, unsere Meinungen über Personen und Instituionen, unsere Erwartungen, was wie zusammenhängt und was welche Folgen hat. Bewertungen sind die Werte, die wir hochhalten, die moralischen Normen, die wir anerkennen, und die Ziele, die wir für uns, für unsere Mitmenschen und für unsere Gesellschaft als erstrebenswert betrachten.  –  KD begegnet Annahmen mit den Fragen: was spricht dafür, daß es tatsächlich so ist? Und was spricht dagegen? Es legt den analogen Maßstab an Bewertungen: was spricht dafür, daß es so gut ist, daß es so sein soll? Und was spricht dagegen? 

KD bildet einen Denkrahmen, der die folgenden Denkschritte enthält: (a) Die Identifikation und Präzisierung von Aussagen, die als Argumente bei eigenen Überlegungen oder von anderen verwendet werden; (b) Beurteilung der Daten, Erfahrungen und Begründungen, die für diese Aussagen relevant sind, durch Vergleichen und Gewichten, was für und was gegen sie spricht; und (c) Schlußfolgerungen, die die Qualität und die Quantität der Daten, Erfahrungen und Begründungen berücksichtigen.

Baron (1993, S. 205) hebt zusätzlich hervor, daß Schüler und Studenten lernen sollten, was als Erfahrung und empirisches Datum („evidence“) akzeptiert werden kann. Dazu gehört, Informationsquellen nach ihrer Glaubwürdigkeit zu beurteilen (Halpern, 1998, S. 451).

Sieben „Denk-Dispositionen“ nennt David Perkins, Harvard University (zitiert von Murray, 1997). Schüler sollten lernen, wie und wann sie diese Denkstrategien eigenständig anwenden. Dazu müssen Lehrer in ihrem täglichen Unterricht zu folgendem ermutigen:

  • Offenes Denken –  Schmalspuriges Denken vermeiden und Alternativen erkunden.
  • Intellektuelle Neugier –  Staunen, fragen, nachforschen.
  • Klären und Verstehen –  Schlußfolgerungen ziehen und Konzepte aufbauen.
  • Planung und Strategie –  Planen, Ziele wählen, nach Auswirkungen fragen.
  • Intellektuelle Sorgfalt –  Ungenauigkeiten und Fehler suchen, präzise und gründlich vorgehen.
  • Begründungen beurteilen –  Nach Indizien und Rechtfertigungen für Aussagen und Tatsachenbehauptungen suchen.
  • Metakognitive Erkundungen –  Den eigenen Gedankengängen nachspüren, unterschiedliche Denkstrategien erproben.

Daran ist der Hinweis auf Planen und Entscheiden besonders bemerkenswert, den ähnlich Robert Swartz, University of Massachusetts (zitiert von Murray, 1997) gibt, der als Aspekt von KD, der am Arbeitsplatz hoch bewertet wird, die Fähigkeit, informiert entscheiden zu können, nennt.

Ebenso wichtig ist der Hinweis auf Metakognition, die auch Kluwe (1979, S. 87f) betont als Bewußtmachen der Denktätigkeit. Er fordert: Lerrnende müssen Wissen darüber besitzen, (a) welche geistige Operation sie ausführen, (b) auf welche Weise sie diese Operation ausführen sollten, und (c) was diese Operation leistet.

 Was als KD beschrieben wird, ist zentraler Bestandteil überlegten Problemlösens. Denn auch dabei geht es um die Beurteilung von Annahmen und Bewertungen auf ihre Relevanz für die betreffende Probleme und auf das Vertrauen, das in sie gesetzt werden kann.  –  Besonders in diesem Zusammenhang ist das Ausdenken und Prüfen von Alternativen wichtig (Brookfield, 1987, S. 8), das Perkins (s. o.) als Denk-Disposition „offenes Denken“ genannt hat als Gegensatz zum „schmalspurigen Denken“. Schmalspuriges Denken, das sich nur in den gewohnten Bahnen bewegt, nur die vertraute Sicht auf Dinge, Probleme und Argumente kultiviert, verhindert kreative Problemlösungen. Sie werden möglich, wenn gefragt wird, ob es nicht Ziele und Wege gibt, die noch nicht in die Überlegungen einbezogen wurden.

KD erfordert „kognitive Distanz“ der Handelnden zu ihren spontanen Handlungsentscheidungen und ihren Bedingungen. Diese innere Distanz erleichtert es, auch Handlungsalternativen auf ihre Konsequenzen zu prüfen (Eckerle & Kraak, 1980, S. 237).

Kritisches Denken hat eine moralische Dimension

Die Kompetenzen, Fragen zu stellen, was für und was gegen Aussagen spricht, empirische Evidenz zu beurteilen und zu gewichten, das eigene Denken metakognitiv zu begleiten, aus Argumenten Entscheidungen und Problemlösungen abzuleiten, diese Kompetenzen müssen nicht nur durch Anleitung als notwendig erkannt werden, sie müssen auch ständig geübt werden. Aber das genügt noch nicht, um KD zu einer geistigen Gewohnheit zu machen. Es muß der Wille hinzukommen, es auch zu nutzen. Dieser Wille muß motivationale Widerstände überwinden.

Elementar ist der Widerstand gegen die geistige Anstrengung, die KD erfordert. Allerdings erleben ihn nicht alle Menschen. Manche strengen sich gern geistig an. Mit dem Begriff „need for cognition“ (Cacioppo, Petty, Feinstein & Jarvis, 1996) wird die Lust am Denken bezeichnet. – Die Lust am Denken setzt „kognitives Selbstvertrauen“ voraus (Kraak, 1991, S. 103f), das Zutrauen in die eigenen geistigen Fähigkeiten, auch bei komplexen Problemen nicht in Verwirrung zu geraten. – Kognitives Selbstvertrauen wiederum erwächst aus dem bewußten Verfügen über Denkstrategien. Gaudig (1921 und 1925) und andere Vertreter seiner pädagogischen Richtung (Platen, 1922 und Scheibner, 1922) berichten über ihre Erfahrung, daß die Motivation der Schüler, sich im Unterricht mit geistiger Anstrengung zu engagieren, davon abhängt, in welchem Maße sie über geeignetes geistiges Werkzeug verfügen, über „arbeitendes Wissen“ (Platen, 1922).

Wer aber wenig Lust am Denken verspürt, braucht moralische Motive, braucht die Einsicht, daß Denkfaulheit oft Ursache von Unrecht ist, wenn Vorurteile nicht geprüft (Baron, 1993, S. 197), wenn Gerüchte und Verleumdungen hingenommen, wenn die Ausreden derjenigen, die Unrecht tun, unbesehen akzeptiert, wenn Benachteiligungen als unvermeidlich ertragen werden.

KD erfordert darüber hinaus „intellektuelle Tugenden“ wie: den Versuch, Dinge nicht nur aus der Perspektive der eigenen Interessen zu betrachten und von individuellen Handlungen und kollektiven Maßnahmen nicht nur die erwünschten Wirkungen zu erwarten, sondern auch unerwünschten Nebenwirkungen ins Auge zu sehen. Die Konzentration der Erwartungen auf die angestrebten Wirkungen ist die Ursache vieler Fehlentwicklungen, z.B. in der Bildungs- und in der Verkehrspolitik. Aber auch bei privaten Lebensentscheidungen führt diese Konzentration des Denkens auf das Erhoffte zu Enttäuschungen.

Die moralische Dimension des KD wird besonders deutlich, wenn es darum geht, gut begründete Argumente und verläßliche empirische Daten auch dann zu berücksichtigen, wenn sie nicht vereinbar sind mit Überzeugungen, die uns am Herzen liegen, oder mit Zielen, die uns wichtig sind. Das ist nicht einfach, denn Erfahrungen und experimentell gewonnene empirische Daten belegen es (Klaczynski, Gordon & Fauth, 1997, S. 471): Argumente und Daten, die für unsere Überzeugungen und Ziele günstig sind, werden nur oberflächlich geprüft und mehr oder weniger unbesehen akzeptiert. Was unsere Überzeugungen und Ziele bedrohen könnte, wird äußerst gründlich geprüft. Argumente werden gesucht, es nicht ernst nehmen zu müssen.

Diese Problematik hat auch Süllwold (1998) im Blick, wenn er von der „prospektiven Phantasie“ spricht als einer geistigen Fähigkeit, die er (S. 93f) als gesellschaftlich wichtiger vermutet als die durch die traditionellen Tests operational bestimmte „Intelligenz“. (S.95) „Nahezu regelhaft ist prospektive Phantasie bei dem Erkennen und Lösen komplexer gesellschaftlicher Probleme in hohem Maße erforderlich.“  Er nennt als Beispiele u.a.: den Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung, die Veränderung des Arbeitsmarkts, die Zuwanderung, den Energiebedarf. Prospektive Phantasie kennzeichnet Süllwold (S. 94) als „die Fähigkeit zur zukunftsbezogenen deduktiven Phantasietätigkeit“. Dazu gehört: „… daß aus vorgefundenen oder vorgegebenen Sachverhalten und Annahmen vielfältige sachlogisch begründbare Konsequenzen abgeleitet werden. Diese Konsequenzen beziehen sich auf mögliche zukünftige Entwicklungen oder Ereignisse.“  –  „… auch dann, wenn diese Ereignisse unangenehm, bedrohlich oder gefährlich erscheinen.“  –  Er erwähnt (S. 94) in diesem Zusammnhang die „Primitivreaktionen der Wahrnehmungsverweigerung, der Informationsabwehr oder der Realitätsverleugnung“. 

Die moralische Dimension nimmt auch Paul wichtig (1990, S.194, zitiert von Halonen, 1995, S. 77). Er spezifiziert sie als sieben intellektuelle und moralische Tugenden, von denen er überzeugt ist, daß sie zum KD gehören. Es sind: intellektuelle Bescheidenheit, intellektueller Mut, Integrität, Empathie, Ausdauer, „Fairmindedness“ und Vertrauen in Vernunft.

KD hat viel zu tun mit emotionalen Bewertungen, z. B. mit Einstellungen zu Mitmenschen, zu sich selbst und zu den Problemen, mit denen man sich befaßt. Es kommt darauf an, wie wichtig es einem ist, anderen gerecht zu werden, Probleme erfolgreich zu lösen und  ob man es sich wert ist, die eigene Zukunft sorgfältig zu planen. Bei Überlegungen, die die Zukunft betreffen, hängt einiges davon ab, ob man mit Vertrauen in ihre Möglichkeiten vorausschaut und sie als grundsätzlich gestaltbar erlebt (Brookfield, 1987, S. 5).

Um anderen gerecht zu werden, braucht man nicht nur guten Willen, sondern auch kognitiv-emotionale Anstrengungen. Deshalb nennt Ennis (1985, zitiert von Thayer-Bacon, 1993, S. 326) als Forderungen an KD nicht nur rein kognitive Handlungen (wie die gesamte Situation zu berücksichtigen und sich um so viel Präzision zu bemühen, wie es der Gegenstand zuläßt), sondern auch Sensibilität für die Gefühle, für das Wissensniveau und die geistige Beweglichkeit Anderer. Zum KD gehört (Thayer-Bacon,1993, 324f), aufgeschlossen zu sein für das, was andere zu sagen haben, offen zu sein, die Stimme anderer vollständiger und fair zu hören.

KD hat auch noch in anderer Weise mit Gefühlen zu tun. Seine Ergebnisse können Angst, Widerstand und Verstimmung auslösen, wenn wir entdecken, daß wir im Begriff sind, bisher von uns akzeptierte Werte, Ideen und Verhalten in Frage stellen. Wir können aber auch intensive Erfolgsgefühle empfinden, wenn wir bemerken, daß wir Dinge geistig in den Griff zu bekommen. Wir erleben Freude, Erleichterung und Heiterkeit, wenn wir zu neuen Weisen, unsere persönliche Welt, unsere Arbeit oder die Zukunft zu sehen, aufbrechen.

Kritisches Denken  –  Intuition und Kreativität

KD ist nicht etwa gegensätzlich zu Kreativität (Gilhooly, 1982, S. 123-149; Maier & Janzen, 1970, S. 101; Perkins, 1990) und Intuition (Langer, 1991, S. 132-136; Moss, 1992, S. 159f). Beides setzt, wenn es erfolgreich sein soll, sorgfältiges und gründliches Denken voraus (Halpern, 1998, S. 452).

Was als gefühlsmäßige, manchmal überraschende neue Einsicht oder schöpferische Problemlösung erlebt wird, hat regelmäßig eine Basis in umfassender Beschäftigung mit der Thematik, in ausdauernder Suche nach Alternativen. Vor allem aber: die Ergebnisse intuitiver Zusammenschau und kreative Neukombinationen können sich nur dann als brauchbar erweisen, wenn sie auf zutreffenden Annahmen beruhen. Das ist einleuchtend. Gedankliche Konstruktionen, die von falschen Prämissen ausgehen, können allenfalls Zufallstreffer sein. Der Weg zur Auswahl zutreffender Annahmen aus der Fülle dessen, was sich vermuten läßt und was behauptet wird, aber ist KD.

Wirkungen Kritischen Denkens

Kritisches Denken und Lebensqualität

KD kann helfen, Selbsttäuschungen zu  erkennen und die eigenen Überzeugungen, Wünsche und Hoffnungen, aber auch Ängste und Sorgen realistischer zu betrachten (Whisner, 1993, S. 309). Das würde wesentlich dazu beitragen, den eigenen Alltag befriedigender zu leben und vor allem, bei Entscheidungen, die die eigene Zukunft betreffen, passender die eigenen Bedürfnisse und Möglichkeiten zu berücksichtigen und nicht von verbreiteten Vorstellungen auszugehen, was Menschen, was Frauen einerseits und was Männer andererseit glücklich mache und was für sie möglich oder nicht möglich sei. Solche Vorstellungen sind manchmal brauchbarer Common sense, oft aber bestehen sie aus törichten Vorurteilen, und vor allem sind nie auf konkrete Individuen zugeschnitten.

Die eigenen Lebensziele kritisch mit der Frage zu prüfen, wie das Leben wahrscheinlich aussehen würde, wenn sie erreicht worden wären, und ob das wirklich das wäre, was einen auf  die Dauer persönlich zufrieden und glücklich machen würde, könnte viele Entscheidungen, die sonst zu enttäuschenden Ergebnisse führen, verhindern.  –  Auch die Wege zu den Zielen verdienen sorgfältige kritische Prüfung, ob sie wirklich Erfolg versprechen und mit welchen Nebenwirkungen gerechnet werden muß. Sicherlich hat Halpern (1998, S. 450) recht, wenn sie meint, daß Kritisch Denkende mehr Lebensziele erreichen als unkritisch Denkende. Und, füge ich hinzu, sie werden mit den erreichten Zielen auch zufriedener sein.

Ins Detail geht Petri (1998, S. 17), indem er ausführt: KD könnte in der persönlichen Sphäre in mancher Hinsicht zu persönlich und sozial befriedigenderen Entscheidungen, Planungen, Denk- und Handlungsweisen beitragen. Es könnte beispielsweise wesentliche Funktionen erfüllen im Zusammenhang mit der Bewältigung von innerpersönlichen und zwischenmenschlichen Konflikten  –  der sinnvollen Lebensgestaltung in bezug auf Familie, Arbeit, Freizeit, soziale Kontakte, Verwendung finanzieller Mittel  –  der Wahrung von körperlicher und psychischer Gesundheit.

Kritisches Denken und Mitmenschlichkeit

Weil KD nicht vereinbar ist mit Vorurteilen, mit der unüberlegten Übernahme von abfälligen Beurteilungen über andere Menschen und mit Vertrauen in Gerüchte, deswegen stopft es häufige Quellen ungerechten, demütigenden Umgangs mit anderen. –  KD ist auch nicht vereinbar ist mit schlecht begründeten Rechtfertigungen für Handlungen, deren Inhumanität wir ahnen, aber nicht wahrhaben wollen. In der Psychologie inhumanen Handelns spielen die Taktiken zur Gewissensberuhigung eine unrühmliche Rolle. Sie setzen unkritisches, oberflächliches Denken voraus.

„Menschliches Versagen im diktatorischen Sozialismus“ ist das Thema eines Buches von Fritze (1998). Der Autor kommt nach seinen Recherchen zu dem Fazit (S. 81): „Aus unserer Sicht griffen Täter-mit-gutem-Gewissen auf falsche Meinungen oder unvollständiges Wissen zurück, begingen Denkfehler, zogen in unerlaubter Weise Schlußfolgerungen oder glaubten irrtümlich, es bestünden rechtfertigende Umstände für ihre Taten.“

Aber auch in ganz normalen Lebensumständen fügen wir anderen Unrecht zu, kränken sie oder trauen ihnen zu wenig zu, weil wir Annahmen über sie nicht kritisch geprüft haben  –  etwa weil wir uns auf erste Eindrücke verlassen, oder weil wir meinen, jemanden gut zu kennen, oder weil wir uns zu sehr auf die Meinungen anderer verlassen..

Kritisches Denken und Arbeitswelt

Klemp & McClelland (1986, S. 41) fanden empirisch, daß sich erfolgreiche Manager von weniger erfolgreichen vor allem durch KD unterschieden, z.B. dadurch, daß sie sich zur Klärung von Situationen um mehr Informationen bemühten und die Vertrauenswürdigkeit der Informationen zu beurteilen suchten.

Man muß aber nicht in leitender Funktion tätig sein, um beruflich von KD zu profitieren. In allen Berufen gibt es Routinen, von denen manche ihre Begründung eingebüßt haben, gibt es ein zu großes Vertrauen in die eigenen Erfahrungen. Fragen, die KD nahelegt, werden nicht oft genug gestellt. Beispiele solcher Fragen sind: wie zuverlässig sind die Indikatoren, aus denen ich/wir auf nicht direkt beobachtbare Vorgänge, etwa Gedanken, Gefühle und Absichten anderer, geschlossen haben? Wie groß und wie repräsentativ sind die Stichproben an Erfahrungen, aus denen Schlußfolgerungen gezogen wurden?

Immer wenn Probleme von mehreren Mitarbeitern gemeinsam gelöst werden müssen, gibt es typische Diskussionsverläufe, die mit KD nicht vereinbar sind und gute Problemlösungen erschweren: so werden die Probleme nicht ausreichend präzisiert oder werden Voraussagen in die Diskussion eingebracht, nach deren Begründung nicht sorgfältig genug gefragt wird. Die Frage, was für und was gegen Annahmen und Bewertungen spricht, wird zu selten gestellt. Außerdem sind Diskussionen durch den Vorgang gefährdet, der sozialpsychologisch als „Gruppendenken“ („groupthink“) untersucht wurde (Park, 1990). Dabei gewinnen einige Mitwirkende den Eindruck, daß sich eine bestimmte Meinung schon als Konsens der Gruppe durchgesetzt habe. Gruppenmitglieder, die daran zweifeln, daß diese Auffassung richtig ist, unterlassen es, kritische Fragen zu stellen. So entsteht eine täuschende Übereinstimmung, die verhindert, daß weitergedacht und diskutiert wird.

Kritisches Denken und Politik

Die Weiterentwicklung eines demokratischen Staatswesens wird in hohem Maße dadurch bestimmt, wie viele Bürger wie oft KD zur Basis ihrer Mitwirkung machen. Die Weimarer Republik ist nicht zuletzt daran gescheitert, daß viele Deutsche, getrieben durch wirtschaftliche Not, Angst vor sozialem Abstieg und die Sehnsucht nach einem Deutschland, das ganz anders sein sollte, aber auch bereit, sich von „starken Männern“ führen zu lassen, unkritisch den Parolen der extremen Parteien, am meisten denen der Nationalsozialisten, Glauben schenkten.

Mangel an KD kann begünstigen, darauf hat Brookfield (1987, S. 41f) hingewiesen, daß wir es als normal und natürlich ansehen, wenn Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe wirtschaftliche Chancen und Bildungsmöglichkeiten vorenthalten werden, oder daß wir massive Unterschiede im Wohlstand zwischen sozialen Schichten und ethnischen Gruppen als unvermeidlich hinnehmen.

Kritisches Denken und lebenslanges Lernen

Anforderungen des Arbeitsmarktes und die Voraussetzungen politischer Partizipation machen es notwendig, daß viele, möglichst alle Menschen während ihres ganzen Lebens altes Wissen revidieren und neues dazugewinnen. Lebenslanges Lernen ist auch erforderlich für die Erhaltung der physischen und psychischen Gesundheit. Gesund zu leben stellt in jedem Lebensalter andere Anforderungen. Bis ins hohe Alter selbständig und selbstbewußt ein erfülltes Leben zu führen, setzt voraus, daß Menschen nicht geistig stehenbleiben.

Was aber Menschen in allen Lebensaltern als nützliches Wissen für Beruf, politische Mitwirkung und private Lebensgestaltung angeboten wird, ist sehr unterschiedlich in seiner Qualität. Politische Annahmen und Bewertungen divergieren außerordentlich, zum Teil aus guten Gründen, zum Teil haben sie aber verführenden Charakter. Angebote zur beruflichen Weiterbildung bringen sehr unterschiedlichen Nutzen. Das gilt erst recht für alles, wofür als gesund und vorbeugend und das Leben bereichernd geworben wird. Kritisch prüfende, gut informierte Auswahl ist notwendig, also KD.

Nicht nur die Auswahl von Angeboten erfordert KD. Auch die Verarbeitung der Lernstoffe und die kluge Anwendung neuen Wissens, neuen Könnens, neuer Lebenstechniken gelingt besser, wenn KD zum Zuge kommt.  

Wege zu Kritischem Denken: Möglichkeiten des Unterrichts

 Grundsätzlich ist zu beachten, daß Denk- und Urteilsstrategien, wie Eckerle (1983, S. 93 und 1987, S. 146-156) begründet hat, zwar an vorhandene Denkgewohnheiten anknüpfen können, aber sie werden nicht begleitend bei der Beschäftigung mit inhaltlichem Wissen erworben. Eine systematische Erarbeitung ist notwendig.

Das hat Anderson schon früh erkannt (1942, S. VII) und ausgesprochen: Es gibt keine Gründe zu hoffen, daß nennenswerte Fähigkeiten zu KD als Nebenwirkungen in Unterricht erworben werden, der andere Ziele hat, z. B. die Vermittlung mathematischen oder naturwissenschaftlichen Wissens.

Das heißt aber nicht, daß ein Fach KD unterrichtet werden soll (Petri, 1998, S. 100). Entscheidend ist eine Aufmerksamkeitslenkung, die bei vielen Unterrichtsthemen angestrebt werden kann.

Wie das geschehen kann, werden Beispiele, vor allem von Fragen, die im Unterricht beraten werden können, deutlich machen.

Amerikanische Autoren berichten über Aufmerksamkeitslenkungen mit dem Ziel, zum KD anzuregen und es einzuüben, bei Unterricht in der Grundschule, in den Sekundarstufen, auf der Hochschule und in der Erwachsenenbildung. Sogar in der Vorschulerziehung und bei der Unterrichtung von Verhaltensgestörten sei das erfolgreich möglich (O’Donnell, 1992, S. 300).

Erfahrungen in der 5., 6. und 7. Jahrgangsstufe berichtet  Murray (1997). Themen und Formen des Unterrichts waren traditionell, aber ein neues Element war, daß die Lehrer bei allen Problemen immer wieder dazu ermutigten, die Probleme genau zu definieren, Annahmen zu prüfen und die Auffassungen anderer Schüler und Studenten und der Lehrer ernst zu nehmen.

Vor allem mit Schülern der Sekundarstufen und Hochschulstudenten hat Halpern (1998, S. 451-455) ihr vierteiliges Modell zur Förderung des KD erprobt. Die vier Teile sind: Die Einstellungskomponente (Ethik des Denkens und Bereitschaft zur geistigen Anstrengung), die Kompetenz-Komponente, das metakognitive Monitoring und Übungen mit unterschiedlichen Inhalten zur Förderung des Transfers.

Schüler und Studenten können durch Fragen angeleitet werden wie diesen:

  • Wie viel Zeit und Anstrengung ist das betreffende Problem wert?
  • Was wissen wir schon über das Problem?
  • Welche zusätzlichen Informationen brauchen wir?
  • Welche Informationen sind besonders wichtig? Welche sind weniger wichtig?
  • Welche Argumente sprechen dafür, daß die Informationen zutreffen?
  • Finden Sie zwei Lösungen für das Problem! (Das soll zu einem kreativeren Herangehen anregen)
  • Nennen Sie zwei Gründe, die die Lösung stützen, und zwei, die das nicht tun! (Um schwarz-weiß-Denken zu erschweren)

Lehrern und Hochschullehrern empfiehlt Murray (1995), sie sollten ausführlicher berichten und diskutieren, welche Logik, welche Erfahrungen, Daten und Argumente den Inhalten zugrunde liegen, die sie unterrichten, anstatt die Inhalte überwiegend als einzuprägendes Wissen vorzutragen.

Über ihre „Konferenz-Methode“ als Weg zur Förderung von KD berichten Underwood & Wald (1995, S. 17-20). Inwiefern sie dabei Schüler-Erwartungen enttäuschen, veranschaulichen sie durch die Erzählung einer der Autorinnen: Meine frühen Erfahrungen als Lehrerin erinnerten mich an Zoobesuche in meiner Kindheit. Im Zoo konnte man einen großen Teich auf einer Brücke überqueren. Wenn jemand die Brücke betrat, kamen Hunderte von Karpfen an die Oberfläche und rissen ihre Mäuler auf,  –  Ähnlich wollen selbst intelligente Schüler (geistig) gefüttert werden, wollen gesagt bekommen, was richtig ist und woran sie glauben können. Lehrer brauchen Einfallsreichtum, um Schüler zu aktiverem Lernen und zu KD zu motivieren.  –  Bei der Konferenz-Methode geben die Lehrer den Schülern Texte, die sie geistig herausfordern, und übernehmen die Rolle von Informationsquellen, sobald die Schüler Probleme und Thesen formulieren und anfangen, miteinander zu diskutieren. Konferenz-Lehrer verhalten sich nicht passiv, sondern steuern Diskussionen, indem sie strategische Fragen stellen und den Schülern helfen, wechselseitig ihre Ideen aufzugreifen. –  Voraussetzung ist, daß die Schüler die zugeteilten Texte gründlich lesen und sich mit ihnen auseinandersetzen. Sie können dazu durch den Auftrag, zu jedem Text eine Frage schriftlich zu formulieren, angeregt werden.

Zur Konferenz-Methode gehört auch, daß die Schüler lernen, Meinungsunterschiede respektvoll auszudrücken. Sie sollten ermutigt werden, Gegenargumente mit Redeweisen wie „ich habe das anders interpretiert“ oder „es könnte doch auch sein, daß …“ oder „wie ist das mit den Punkten x, y und z  zu vereinbaren?“  –  Mit Fallgruben muß auch gerechnet werden. Längerem Schweigen weist oft auf ernste Probleme hin. Im einfachsten Fall sind die Texte nicht gründlich gelesen worden. Auch können die Konferenz-Leiter am Anfang eine zu schwierige Frage gestellt haben. Schüler zögern, Kompliziertes in Angriff zu nehmen, wenn sie sich in der Gruppe noch nicht wohlfühlen, und die Gruppe noch nicht  in Eifer gerateh ist. Schweigen kann auch die Folge davon sein, daß Schüler eine feindliche Atmosphäre wahrnehmen.

Literatur

  • Anderson, H. R. (Ed.) (1942). Teaching critical thinking in the social studies. Washington, DC: The National Council for the Social Studies.
  • Astleitner, H. (1999). Kritisches Denken im Unterricht. Pädagogisches Handeln, 3, Heft 3.
  • Baron, J. (1993). Why teach thinking? –  An essay. Applied Psychology, 42, 191-237.
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